Dienstag, 4. März 2014

So gar kein Pilzomelette

Ein mulmiges Gefühl macht sich in meiner Magengrube breit und setzt einen der unguten Gedanken frei, die man lieber ganz tief in sich vergräbt. 

Den Gedanken an die potenzielle Gefährlichkeit meines Jobs.

Gerade liefen die Nachrichten von dem Amok in zwei Anwaltskanzleien in Düsseldorf und Erkrath über den Ticker und die Bilder von Überfällen in der Kanzlei oder Schießereien im Gericht laufen vor meinem geistigen Auge ab. Zwei Anwälte sind inzwischen tot und eine Anwaltsgehilfin dazu. Und das nur, weil sich einer von der Anwältin schlecht beraten fühlte – deshalb sie und ihren Kollegen in Düsseldorf umbrachte und anzündete - und dann auch noch den umnieten wollte, an den er von der Anwältin verwiesen worden war. Nur hatte der offenbar Glück und war gar nicht in der Kanzlei, weil seine handwerklich absolut unterbelichtete Gattin einen Schrank aufgebaut haben wollte und der Anwalt daher den Schraubenzieher schwang, statt des Schutzschildes. Dann musste eben die Anwaltsgehilfin dran glauben. Der Kompagnon scheint zu überleben.

Man verzeihe mir meinen sarkastischen Unterton. Der ist notwendig, um die Tragik und die sich einschleichende Angst um das eigene Leben zu ertragen.

Ja, klar. Das ganze Leben ist gefährlich. Man kann auf dem Gehweg von einem irren Autofahrer, der grad ein ganzes Bushäuschen niedermäht, umgenietet werden, kann aus dem Fenster fallen, durch Passivrauchen Lungenkrebs kriegen – vom Aktivrauchen gar nicht zu reden (ich hoffe, ich höre mich nur wegen inzwischen 8 Jahren Abstinenz nicht wie ein militanter Nichtraucher an) – versehentlich Knollenblätterpilze naschen oder besser diese dem lieben Ehegatten als Pilzomelette so leicht vorsätzlich servieren und man kann von der Teppichkante springen. Alles gefährlich. Schnellstens kann es vorbei sein.

Doch es gibt Szenarien, die da nicht so reinpassen. Und dazu gehört die Gefährlichkeit des Anwaltsberufs.

Nun bin ich nicht beim Bombenräumkommando oder sowas. Obwohl, manchmal hat man schon das Gefühl, wenn die Kindesmutter mal wieder den Umgang mit dem Kind komplett verweigert, sich die Beschimpfungen – vorzugsweise über whatsapp (und nein, ich beginne jetzt nicht mit einer Schimpftirade auf Facebook und whatsapp oder die kapitalistische Einverleibung weitere Milliarden Kontakte und deren Inhalte) – ins Unermessliche steigern oder Papa mal wieder eigenmächtig den Unterhalt kürzt, weil er mit dem Sohnemann gerade an einem Nachmittag im Kino war und die Mutter ja deshalb kein Essen für's Kind kochen musste.

Aber solche gezielten Übergriffe und Angriffe auf Anwälte schockieren und sind doch ein ganz anderes Kaliber. Was treibt einen Menschen dazu, 3 Menschen zu töten, die direkt oder indirekt für den Mörder tätig waren und seine Interessen vertreten sollten?

Ich selbst habe mich nach dieser und auch nach den vorhergehenden ähnlichen Vorfällen selbst dabei ertappt, Mandanten nach Gefährdungspotenzial einzustufen. Da stellt man sich schon die Frage, wer vor der Tür steht, wenn man mal allein in der Kanzlei ist oder ob der eine oder andere Beteiligte – von mir aus auch der von der Gegenseite – im Gerichtssaal plötzlich austickt, weil er zu viel Unterhalt zahlen soll oder einfach mit seiner Ansicht keinen Eindruck beim Richter schinden kann.

Wie sehr ist man selbst bedroht? Was trägt man dazu bei, dass solche Menschen womöglich derart überreagieren? Und: Wie kann man sich schützen?

Ich kann doch keine Schleuse vor meine Kanzleitür bauen, die Mandanten nur noch hinter Sicherheitsglas empfangen oder mit kugelsicherer Weste ins Gericht gehen. Im Grunde ist doch die Türklingel das Einzige, was zwischen mir und den Mandanten steht, die bei mir Rat und Unterstützung suchen. Sicher suchte auch der Täter von Düsseldorf zunächst danach.

Aber man kann nicht immer gewinnen – selbst wenn man es wollte und man kann es dem Mandanten nicht immer recht machen. Vor allem gibt es Mandanten, denen kann es keiner recht machen. Da hat man verloren, bevor der Mandant zur Türe reinschaut. Absolut nicht geschlechtsspezifisch gemeint. Da ist „ich zahle die Rechnung nicht“ noch vergleichsweise harmlos.

Sicherlich ist jeder Beruf gefährlich und nichts lässt sich so vorausplanen, dass man jede Gefährdung ausschließen kann. Leben (oder der Tod) ist doch das, was passiert, während man eifrig dabei ist, andere Pläne zu machen.

Das ist eben das Berufsrisiko. 

So kann man alle Ängste und Befürchtungen auf 25 Buchstaben reduzieren. Das Loch in meinem Magen wird dadurch nicht kleiner. Schon gar nicht, da ich jetzt aufstehe, meine Tasche packe und zur nächsten Scheidungsverhandlung ins Gericht fahre. 

Die Angst fährt (irgendwie) mit.