Freitag, 2. Dezember 2016

Zwei Kartons

Das Leben eines Menschen passt in zwei Kartons.

Und die stehen in meinem Büro.

Ich habe sie unter meinen Aktentisch geschoben und sitze stets mit dem Rücken dazu. So muss ich sie nicht sehen.

Heute habe ich sie hervor gezogen. Nicht um reinzusehen oder sie wegzuräumen. Nein, ganz profan spielte ich eigentlich nur dem Gedanken, mein Büro umzuräumen. Blickwinkel ändern und so. Eben mal was Neues.

Und da zog ich die Kartons unter dem Tisch hervor und schob sie direkt neben meine Bürotür, so dass ich den gesamten Nachmittag unzählige Male daran vorbei gehen musste. Und ansehen. Und darüber nachdenken.

Das Leben eines Menschen passt in zwei Kartons.

Sie sind noch nicht einmal sonderlich groß. Kaum 60 cm Kantenlänge pro Seite. Und nicht einmal bis zum Rand gefüllt. Sie sind nicht verschlossen, nur zugeklappt. Das Ergebnis eines ganzen Lebens. Der Rest, der in materiellem Sinne von dem Menschen geblieben ist, dem die Sachen einmal gehört haben.

Er war sicher ein komplizierter Mensch. Wer ist das nicht.
Er war sicher ein einsamer Mensch. Wer ist das nicht.

Er war ein Ehemann und Vater, der an dem Ende der Beziehung und vor allem letztlich an dem brachialen Feldzug seiner (nur fast) zukünftigen Ex-Frau zugrunde gegangen ist. Zuletzt wirkte er resigniert, fast fassungslos über den Kreuzzug seiner Frau; gepaart auch mit einer Wut über dieses Vorgehen, aber zunehmend macht- und kraftlos. Mit kaum Mitte 50 beim Joggen zusammengebrochen. Herzversagen. Tot.

Ich zählte 8 Akten in meinem Schrank, die seinen Namen trugen.

Und dann sollte ich für den einzigen Verwandten, seinen in England lebenden Bruder, die persönlichen Sachen in Verwahrung nehmen, die die Seele von einer zukünftigen Ex-Frau nicht länger in ihrer Nähe dulden wollte. Ich tat, worum mich der Bruder bat.

Zwei Kisten. Fotoalben, Unterlagen, ein paar Bilderrahmen. Kontoauszüge. Einiger Kleinkram. Mehr blieb nicht von ihm. Erinnerungen, ja. Materiell, nicht mehr.

Das Leben eines Menschen passt in zwei Kartons.